Spannungsfall – Die Widerstände aller Anschlüsse – ein unterschätztes Problem.
Der Yachtelektriker arbeitet in der realen Welt an einem bereits installierten System oder plant dieses. In den meisten Fachbüchern und Handreichungen – und auch in den EN ISO wird der Sachverhalt des Spannungsabfalls weit unterschätzt. Das Schlüsselwort ist das „System“. Beim Systemdesign (-planung) fehlt die Betrachtung des gesamten Spannungsabfalls über alle Schalter, Kabelenden, Anschlüsse, Sicherungen etc. – wir „fühlen“ einfach die Spannung, und alles, was in die Nähe von der Systemspannung kommt, wird schon gut sein.
Ein kleines Beispiel:
Ein Elektriker plant eine Ladeleitung für eine neue Hochleistungslichtmaschine. Diese Lichtmaschine hat die technischen Daten 12V – 110 A. Die Kabellänge für diese Zuleitung beträgt von der Lichtmaschine über den Ladestromverteiler bis zur wichtigen Servicebatteriebank 4 Meter. Laut DIN EN ISO 10133 darf der Spannungsabfall bei Positionslaternen und anderen Sicherheitsrelevanten bzw. empfindlichen Verbrauchern maximal 3% (entspricht 0,36V) sein. Bei sonstigen Verbrauchern darf er maximal 10% (1,2V) betragen. In fast allen Fachbüchern zur Yachtelektrik sind folgende Werte für den Spannungsabfall angegeben: Für Ladeleitungen: ~2% = 0,25V, für Navigationslaternen: ~5% = 0,5V, für sonstige Verbraucher 0,8V.
Der Elektriker hält sich an die EN ISO 10133, kalkuliert 3% Verlust und bemisst den Kabelquerschnitt danach. Bei einer tatsächlichen Abgabespannung von 14,7V für diese Lichtmaschine käme ein Abfall von 0,44V heraus: 14,26 V. Das ist weit weg von Ideal und sicher auch von den Vorstellungen, die man sich in Verbindung mit der hohen Geldausgabe einer neuen Lichtmaschine vorstellt: Kurze Ladezeiten und maximale Energiespeicherung.
Aber die neue Lichtmaschine hat doch eine Spannungsmessleitung! Bingo! – aber völlig falsch wäre es, wenn diese Messleitung die Spannung an der Lichtmaschine misst und nicht an der Batteriebank. Das ist ja noch einfach: Eine gut bemessene Messleitung an den Batteriebank-Pluspol geschraubt.
Jetzt kommt der Spannungsabfall wieder…. für die Berechnung des Durchmessers der Ladeleitungen: Der Spannungsabfall in Leitungen wird in vielen Formeln nur mit dem einfachen Weg berücksichtigt („hin“). Der Strom muss aber auch zurück!
Bei 14,7V, einer angenommenen Kabellänge von 4 Metern von der Lichtmaschine zur Batterie und einer Abgabeleistung von 110A:
(2(hin und rück)•4•110A) / (56 (Konstante für Kupfer) • 0,44V = 35 mm² Ladeleitungen.
Der Spannungsabfall erhöht sich bei dünneren Zuleitungen: Nähme ich statt 35 mm² Kabeln „nur“ 16 mm², ergäbe sich ein Spannungsabfall von 0,49V – nur durch die Leitung: Die Lichtmaschine liefert dann nicht mehr 14,7 V, sondern nur noch 14,21V an.
Der Spannungsabfall wird nur für die Leitungen berechnet, nicht aber für alle Kabelverbindungen, Schalter, Sicherungen. Eine Sicherung, die auf den Anschlusswert des Verbrauchers berechnet ist, kann zu einem Widerstand in der Leitung werden.
Ein Elektriker- Kollege auf der anderen Seite des Atlantiks beziffert den Widerstandswert eines einzigen Verbindungspunktes mit 0.00025 Ohm. Wenn diese Verbindung sauber, fest angezogen und nicht gerade mit einem Billigwerkzeug hergestellt wurden. Im Falle der obengenannten Hochleistungs-Lichtmaschine ist in der Regel noch ein Ladestromverteiler montiert, entweder als ACR, Trennrelais, Diodenverteiler oder MosFet Verteiler. Gehen wir die Ladeleitung zur Verbraucherbatteriebank durch, sind das wieviele Verbindungen? Mindestens 4 auf der Plusseite plus 2 auf der Minusseite. Das ist konservativ gerechnet, denn ich habe die Brücken zwischen den Batterien weggelassen, Sicherungen und auch eine Minus-Sammelschiene. 6 mal 0,00025 Ohm sind 0,0015 Ohm. 110A X 0,0015 = -0.17V
Im Beispiel für die 110A Lichtmaschine, die 14,7 V abgeben kann, bleibt bei der Verwendung von 16 mm² Kabeln noch 14,04 V über.
Die Spannung der Anlage ist der „Druck“, der den Strom in die Batterien fließen lässt. Niedrige Voltzahlen heißen nichts anderes, als daß weniger Strom in die Batterie fließt und die Batterien langsamer geladen werden.
Was tun?
Bei der Berechnung der Kabelquerschnitte von einem Verlust von max. 1-1,75 % ausgehen. Lieber dickere Kabel kaufen. Die Kabel so kurz wie irgend möglich halten. Alle Verbindungen mit gutem, professionellem Werkzeug herstellen. Kabelverschraubungen sauber, trocken, ölfrei und korrosionsfrei halten und mit korrektem Drehmoment anziehen. So wenig Verbindungen wie möglich machen.
just my 5 cent. Ole